Spiritualität und Sufismus

Neben formalisierten Regeln und Geboten einerseits und theologischen Darlegungen der Glaubensinhalte andererseits, kennt die Islamische Tradition noch eine dritte, innere Dimension. Diese befasst sich mit dem persönlichen Verhältnis zwischen der/dem einzelnen Gläubigen und Gott. In den Worten des Propheten Muhammad ist es nämlich ein essenzieller Teil der Religion „Gott so zu verehren, als würde man Ihn sehen. Und wenn Du Ihn auch nicht siehst, so wisse, dass Er Dich sieht.“ Dem Wunsch folgend, dieses Bewusstsein möglichst umfassend zu verinnerlichen, entwickelte sich über die Zeit die Lehre des Sufismus (Tasawwuf) sowie eine Vielzahl spiritueller Bruderschaften und Orden (Turuq). Durch verschiedene Andachtsübungen und innere Reflexion ist es das Ziel von Sufis, sich dem Schöpfer anzunähern und die materielle Welt zu überwinden. In der Regel geschieht dies unter der Führung eines spirituellen Meisters (Scheikh), der dem „Gottessucher“ den Weg weist und selbst in einer langen Reihe früherer Meister steht.

Wie in den meisten Teilen der Islamischen Welt spielte der Sufismus auch in der Maghrebregion eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Verbreitung des Glaubens. Außerdem inspirierten seine Lehren Künstler, Architekten und Dichter zu artistischen Meisterleistungen. Ein charakteristisches Merkmal des Sufismus, insbesondere in Nord- und Westafrika, besteht in der tiefen Verehrung und Liebe für den Propheten Muhammad und seine Nachfahren (Âl al-Bayt). Durch Lobdichtung, die Tradition des Mawlid (ein Fest anlässlich des Geburtstags des Propheten) oder den Besuch von Grabstätten bedeutender Heiliger (Awliyâ‘), von denen viele direkt vom Propheten abstammen, pflegen Anhänger islamischer Spiritualität eine direkte persönliche Verbindung zum Propheten und seiner Botschaft.

Als BMG schätzen und achten wir die Lehren des Sufismus und sehen ihn als wichtigen Teil unseres religiös-kulturellen Erbes an. Mit seiner Universalität, Vielfalt und Toleranz weist uns diese innere Dimension des Islam den Weg zu mehr gegenseitigem Verständnis, Demut und Achtung aller Geschöpfe; all diese Werte, die auch für das Zusammenleben unterschiedlichster Menschen in Deutschland von heute fundamentale Bedeutung haben.